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Angefangen hat der vermeintliche Abgesang auf das Radio schon im Jahr 1980. Damals veröffentlichte eine Band namens The Buggles ein Lied namens „Video Killed The Radio Star“ – die Hymne des neuen Musikfernsehens. Endlich gab es Bilder zum Ton! Kein Wunder, dass sich Queen nur vier Jahre später in „Radio Ga Ga“ große Sorgen um ihren alten Freund machten, der sie mit seinen Songs durch die Jugend begleitet hat. Ganz so unrecht hatte die englische Rockband damit nicht.

Für Radiostationen war es in den letzten drei Jahrzehnten ein permanentes Auf und Ab. Mit manchmal sinkenden oder stagnierenden Hörerzahlen, vor allem aber mit immer mehr Konkurrenz. Doch kein Kontrahent – weder Musikvideos, noch Kassettenrekorder, CD- oder MP3-Player – hat das klassische Radio verdrängt. Bisher. Denn während Live-Radio in seiner Art fast unverändert geblieben ist, hat sich die Technik weiterentwickelt. Digitalisierung, Streaming-Dienste und on-demand-Services sind heute die größten Konkurrenten – gleichzeitig bieten sie aber auch eine riesige Chance. Wenn Radiostationen es nämlich schaffen, all das zu vereinen, was Hörer heute an Spotify und Co. schätzen, werden sie auch künftig einen fixen Sendeplatz bei ihren Hörern haben. Oder wie Queen singen würde: „You’ve yet to have your finest hour“.

Digital ist das bessere Analog

Einer, der das alles nicht so eng sieht und eigentlich ganz positiv gestimmt ist, ist James Cridland. Für den Radio-Zukunftsforscher ist das, was gerade aufgezählt wurde, alles Radio, nur halt auf unterschiedlichen Plattformen. Und die gilt es – möglichst schlau – zu vereinen. Wie er sich das konkret vorstellt: Wer das Radio der Zukunft einschaltet, hört als erstes eines seiner Lieblingslieder. Dann die Moderatoren, Live-Radio ganz wie gewohnt. Und täglich um 7.12 Uhr (und nicht erst zur halben Stunde) die Verkehrsmeldungen,
weil das Radio weiß, in drei Minuten geht’s im Auto zur Arbeit.

Ein individuelles Programm für all jene, die digital zuhören. Was nicht heißt, dass Radios künftig nicht auch weiter über UKW senden. Sie werden wohl beides, in leicht adaptierter Form, bedienen. Zumindest so lange es ihre Frequenzen noch gibt. In Norwegen mussten 2017 etwa alle Radiostationen auf DAB+, also auf Digital Broadcasting, umstellen. Schweiz und Dänemark sollen bald folgen. In Österreich gibt es diesen Dienst auch bereits: DAB+ für Österreich. Was für Zuhörer bessere Soundqualität und eine größere Senderauswahl bedeutet, heißt für die Stationen, sich stärker differenzieren und sich neue Angebote überlegen zu müssen. Ein Beispiel aus Amerika zeigt, wie das gehen könnte.

Radioliebe
per App

iHeartRadio ist das digitale Angebot einer der größten Radiogesellschaften des Landes und damit quasi prädestiniert dafür, in Sachen Zukunftsmusik vorne mitzuspielen. Ihre App bietet eine Vielzahl an Features, die „normalen“ Radios fehlen. Neben Livestreams von verschiedenen Programmen sind das Podcasts und Playlists, die von iHeartRadio-DJs zusammengestellt werden – und „Your Weekly Mixtape“. Das wiederum ist eine personalisierte Playlist mit 30 Liedern, die jeden Montag aktualisiert wird. Mit Songs, die exakt dem Geschmack des Users entsprechen. (Der große Unterschied zum ähnlichen Angebot von Spotify, wo es darum geht, etwas ganz Neues zu entdecken, was auch einmal nicht gefallen kann.) Plus: iHeartRadio arbeitet auch mit intelligenten Übergängen zwischen den einzelnen Songs, wie man es von DJ-Sets kennt. Live-Feeling im Live-Radio.

Die Radiowelt, wie sie den Hörern gefällt

So viel scheint also klar: Um ein digitales Angebot – mit oder ohne eigene App – kommt man nicht umhin. Schon allein wegen der hohen Smartphonenutzung. Hier zeigt sich auch gut, was Radioforscher Cridland weiter oben prognostiziert hat. 32 Prozent der „Radio-Zeit“ am Handy entfallen auf on-demand-Services (Podcasts, einzelne Sendungen in einer Audiothek usw.), 28 Prozent auf eigene Lieder und immerhin noch knapp ein Viertel auf Live-Radio. Heißt: Live-Radio ergänzt um on-demand-Inhalte ist, was auf Dauer funktionieren wird. Das liegt auch daran, dass klassisches Radio ein Medium älterer Generationen ist. Jüngere nutzen Streamingdienste oder Podcasts – je nach Belieben und nur bei Bedarf. Um sie als Radiohörer (zurück) zu gewinnen, müssen die Stationen mit ihrem on-demand-Content dann natürlich auch noch dorthin, wo die Millennials und die Gen Z nach Inhalten suchen: zu den Konkurrenten von Spotify oder in den iTunes-Store. Ein kleiner Preis für höhere Zugriffszahlen.

Spiel mir meinen Lieblingssender

In Großbritannien zeigt sich bereits, dass die Umstellung auf digitales Radio, dessen Programm oder Podcasts man bequem nachhören kann, eine positive Auswirkung auf die Hörerzahlen – auch von Live-Radio – hat. Dort spricht man bereits vom zweiten „Golden Age“ fürs Radio. Schließlich benutzt so gut wie jeder Haushalt Smartphones und Tablets, es wird immer mehr mit sogenannten Smart Speakern kommuniziert (zum Beispiel Alexa von Amazon) und auch in Autos finden sich fast nur mehr digitale Radios.

 

Es war noch nie so einfach, orts- und zeitunabhängig Radio zu hören

Radio war schon immer mehr als nur Musik. Beim Radio ist es auch immer um Emotionen gegangen und um die Menschen, die darin Geschichten erzählen. Ein Miteinander, auch wenn man sich weit voneinander entfernt befindet. Heute noch mehr als früher. Aber selbst wenn die eigenen Hörer lieber den neuesten BBC-Podcast aus London hören, spätestens für lokale Nachrichten werden sie weiterhin umschalten. Dann wahrscheinlich per Sprachbefehl.