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Möchtest du mal an mir riechen?

Soll ich dein Parfüm erraten?

Kannst du das?

Mittlerweile tut man sich ziemlich schwer, Düfte zu erkennen, denn die meisten riechen ähnlich. Menschen sind bei ezaerüchen sehr unsicher und freunden sich nur schlecht mit einem neuen an, deswegen ist auch die Kreativität der Massenparfümerie leicht eingeschränkt. In der Regel hat jede europäische Großstadt ein oder zwei Concept-Stores, wo entweder auch oder nur Duft verkauft wird. Meistens kommen da so ein paar Freaks zusammen. Oder es gibt Nischenparfümerien, mit ganz alten Besitzern, die eben auch Düfte führen, die schwerer zu verstehen sind.

Ein Scheißjob ist es zum Beispiel, wenn ein Wurstfabrikant
kommt oder jemand, der Waschmaschinen baut.

Sind solche Düfte dann bezahlbar?

Nicht ganz billig, aber bezahlbar. Ein Duft aus meiner „Beautiful mind Series“, die ich gemeinsam mit Christiane Stenger kreiert habe, kostet 150 Euro pro 100ml. Aber der Einkauf und die Herstellung für unseren Duft sind sehr teuer. Wir verwenden eine bestimmte Blüte aus Tahiti und da kostet das Kilo 20.000 Euro. Die schicken uns dann die Blüten in einem Fett, damit es in Europa molekular destilliert wird. Dann erst bekommen wir es zum Anriechen. Bei unserem Duft liegen wir bei Materialkosten von 120 Euro pro Kilo!

Was machen die Menschen falsch, wenn sie Düfte ausprobieren?

Die meisten gehen hin, sprühen sich nacheinander vier bis fünf oder noch mehr Düfte auf den Arm oder den Teststreifen und versuchen sich dann auch noch zu entscheiden. Das geht nicht. Nach dem zweiten weißt du schon gar nicht mehr, wie der erste gerochen hat und bist verwirrt. Ich warte noch immer auf eine Möglichkeit oder die erste Parfümerie, die einen Ort schafft, an dem man die Düfte in Ruhe und einer stressfreien Atmosphäre ausprobieren kann. Und dass man den Menschen unter die Arme greift, um Düfte zu verstehen.

Machst du auch Düfte für Marken, Firmen oder Stores?

Das mach ich auch. Man kann mich sozusagen buchen. Es ist ja nicht so, dass ich mich militant weigere, kommerzielle Sachen zu machen. Aber es kommt eben darauf an, wie die Firma aufgestellt ist, ob sie Geld ausgeben wollen für den Duft. Wenn die knauserig sind und denken, mit mir so was machen zu können wie mit der Industrie oder den Industrie-Parfümeuren, dann sage ich das direkt ab. An so etwas habe ich kein Interesse, das macht keinen Spaß und dafür gebe ich meinen Namen auch nicht mehr her. Das wäre mir zu profan.

Ergibt es Sinn, mir als Kette einen Duft zuzulegen, damit es in all meinen Stores auf der Welt gleich riecht?

Du meinst einen Environmental Smell?

Genau.

Das ist etwas, dass gerade im Kommen ist. Es gibt viele Firmen die gerade daran arbeiten. Ich habe das auch schon gemacht. Für einen großen Sportartikelhersteller. Das heißt, egal ob du in Berlin, Wien oder New York in einen Laden gehst, es riecht immer gleich. Natürlich hat man das häufig schon über die Produktauswahl. Wenn da nur Turnschuhe und Jogginganzüge hängen, gibt das auch einen eigenen Geruch ab. Aber der Gedanke ist, zu diesem industriellen Geruch noch einen ästhetischen mit dazuzunehmen, um den Menschen eine olfaktorische Heimat zu bieten. Die kommen rein, riechen immer wieder das gleiche und fühlen sich wohl. Aber das ganze Thema steckt noch in den Kinderschuhen. Auch das Thema Corporate Smell ist spannend. Auch weil es kein Parfüm ist. Da kann man nichts machen, was riecht wie Axe oder Gucci, das wäre total bescheuert. Es muss was eigenes sein und idealerweise hat der Geruch auch was mit dem Produkt zu tun, das die Firma macht.

Wie komme ich zu einem Corporate Smell? Gehst du da nach einem bestimmten Prozess vor?

Hängt vom Produkt ab. Ich war in Kontakt mit einem sehr großen Milchproduzenten. Das wäre eigentlich ein Traumjob gewesen, denn Milch ist wahrscheinlich der erste Geruch oder Geschmack, den jeder wahrnimmt. Muttermilch. Süß. Lecker. Hunger. Außerdem kann man rundherum eine richtige Geschichte und Szenerie kreieren. Nicht nur Milch, sondern Kühe, eine Bergwiese, Glockenläuten, blauer Himmel, weiße Wolken. Geil. Ein Scheißjob ist
es zum Beispiel, wenn ein Wurstfabrikant kommt oder jemand, der Waschmaschinen baut. Aber wenn etwas wirklich zu beknackt ist, dann würde ich ihm auch sagen, dass es für den Arsch ist. Die sollten sich besser einen Airfresher hineinstellen.

You smell nice
Wenn ich irgendwo hingehe zum Essen, dann möchte ich nicht, dass die Tussi hinter mir "Angel" oder irgendsoeinen anderen Hammer trägt, der sofort den ganzen Laden einnebelt.

Aber die riechen doch meist auch widerlich …

Ob etwas für uns gut riecht oder eben stinkt, ist meistens gelernt. Wenn du zum Beispiel irgendwo entlangläufst und dann geht eine Frau an dir vorbei und die trägt den Duft deiner ersten Frau, dann denkst du „Fuck, was ist denn jetzt los“! Das geht direkt in dein emotionales Zentrum.

Das liegt daran, dass die Region für Erinnerungen und Gerüche im Gehirn die gleiche ist.

Nicht ganz. Das limbische System ist ein Überbleibsel von einem alten Teil unseres Gehirns. Das, was wir riechen, ist eher eine Emotion als ein Reiz, der nur einem Attribut unterliegt, wie zum Beispiel auberginenfarbig. Darüber gibt es nichts zu diskutieren, niemand kann dir erzählen, dass das grün ist. Gerüche hingegen sind sehr subjektiv. Wenn einer bei seiner Oma aufgewachsen ist und die hat immer Vanillekuchen gebacken, das Enkelkind aber immer verdroschen, dann wird derjenige keine gute Erinnerung an Vanillekuchen haben. Wenn du aber mit deiner Oma den Vanillekuchen gemeinsam draußen auf einer Parkbank gegessen hast, wirst du positive Erinnerungen damit verbinden. Folglich wirst du für den Rest deines Lebens diese Erinnerung an den Kuchen positiv besetzen, wohingegen der andere schon Schweißperlen auf der Stirn bekommt, wenn er nur den Geruch wahrnehmen muss.

Was bedeutet das für einen Parfümeur oder die Industrie?

Wir haben alle unser eigenes olfaktorisches Gedächtnis. Deswegen kann man Düfte auch ganz schwer quantitativ besetzen. Es ist eben nicht für uns alle gleich. Wir haben alle viele Gerüche, aber unterschiedliche Eindrücke. Und dann sind diese unterschiedlichen Eindrücke auch noch mit unterschiedlichen Attributen besetzt. Mein Vater meint immer, ganz klar, „Old Spice“ wäre der frischeste Duft überhaupt. Dabei ist „Old Spice“ eines der süßesten Parfums. Aber das kann ich meinem Vater nicht erklären, weil damals in der Werbung von „Old Spice“ ein Seemann gezeigt wurde, Meer, Meeresbrise. So wurde suggeriert, dass „Old Spice“ frisch ist.

Sind der Geruch und der Duft in einem Store nun wichtig oder nicht?

Du wirst es mit einem Geruch wahrscheinlich nicht jedem recht machen können. Viele fühlen sich zu Recht auch schon attackiert, wenn sie irgendwo hinkommen und merken, da hängt ein Parfum in diesem Laden oder Restaurant. Das empfinde ich auch als störend. Wenn ich irgendwo hingehe zum Essen, dann möchte ich nicht, dass die Tussi hinter mir „Angel“ oder irgendsoeinen anderen Hammer trägt, der sofort den ganzen Laden einnebelt. Das kann sie selber ganz toll finden, aber Menschen haben unterschiedliche Toleranzen für Düfte. Prinzipiell haben wir zwar die gleiche Nase, aber manche Nasen sind eben besser trainiert als andere.

„Angel“ magst du nicht so gerne?

Wenn eine Frau nach „Angel“ riecht, kann sie gleich heimgehen.

Ich kann aber davon ausgehen, dass der Geruch von frischen Semmeln in einem Laden für die Mehrheit positiv besetzt ist?

Das ist überhaupt ein positiver Geruch, weil er immer Frühstück und Pause suggeriert. Es wird niemand sagen, „Furchtbar, frische Semmeln“. So wie der Geruch von frisch gebrühtem Kaffee.

Kann man Gerüche lokal produzieren? Im Bereich wo Gebäck verkauft wird, Duft nach Semmeln, im anderen Bereich Kaffee …?

Diese Gerüche für Backshops oder diesen Kram funktionieren nicht. Du kannst die Gerüche nur über das Echte hineinbringen. Selbst diese komischen Backshops, die sich jeden Morgen ihre halbgaren Brötchen aus Polen liefern lassen und die dann in den Ofen reinschieben – selbst da entsteht durchs Backen dieser Geruch. Du kannst nämlich eines nur ganz schwer nachmachen – physische Gerüche.

Was sind physische Gerüche?

Riecht warm, riecht kalt, sauer, ätzend, trocken, pudrig. Alles, was physisch ist. Das sind trigeminale Gerüche. Unsere Nase nimmt nicht nur eindimensional wahr, sondern olfaktorisch und trigeminal.

Kann man eigentlich frisch gemähtes Gras kaufen?

Es gibt ein paar Brands, die machen so etwas. Aber das kommt über den Gagfaktor nicht hinaus. Es gibt da immer noch einen Riesenunterschied, ob du ein Fläschchen aufmachst oder der Geruch, der dir in die Nase strömt, wenn der Nachbar die Wiese mäht.

Welche Produkte, die wir kaufen, verbinden wir ganz stark mit Gerüchen?

Der Geruch von einem neuen Auto ist bei Jungs immer ganz wichtig. Ich mag den Geruch von einem Mac, wenn man ihn auspackt.

Riecht der Apple?

Das ist ein interessantes Beispiel. Denn normalerweise wird so ein Geruch ja fast schon künstlich erzeugt, aber bei den Mac-Sachen ist das tatsächlich ein natürliches Zusammenspiel. Plastik, Styropor, Verpackung und das Ding, das elektronische, das da drinnen liegt. Der Geruch ist synthetisch, aber hat so eine Frische dabei. Irre!

Was machst du anders als die anderen?

Also du musst dir das so vorstellen: Du gehst zum Inder und bestellst dir Curry. Da alleine sind schon mal 800 Gewürze, also 800 Komponenten drin. Oder du gehst zum Italiener und bestellst einfach nur einen Teller Nudeln mit Olivenöl und Basilikum. Das hat nur ein Gewürz, das Basilikum, ist aber unglaublich gut. Du kannst also sehr komplexe Dinge machen, oder etwas ganz Schlichtes. Ich habe in meinen Düften nur eine Komponente und gebe so den Menschen die Möglichkeit, eine Aura zu tragen. Und die Menschen, die fahren da voll drauf ab.